Aignerstark

Als Journalist sollte man einen Abwehrreflex verinnerlicht haben: Lobeshymnen, vor allem Adjektive, haben in Texten nichts zu suchen. Für den Lobpreis und das ganze (angeblich) Schöne ist die PR zuständig. Im Fall einer Bewertung von Stefan Aigner ist es allerdings schwierig, ohne das verabscheute Wiewort auszukommen. Die Spielweise des Bayern  überrascht nämlich durchaus. Als ein oberklassiger Zweitligaspieler früh von der Eintracht verpflichtet, erinnerte man sich lediglich an die Szene beim Auswärtspiel bei 1860, als ein gewisser Georgios Tzavellas (AS Monaco, 2. französische Liga) eben jenem Stefan Aigner den Assist zum Tor in der 1. Minute auflegte. Sonst? In den Statistiken weit oben aufgelistet; aber was heißt das schon, bei all den Nico Frommers und Co., die in der zweiten Bundesliga gewirbelt haben.

Bei Aigner ist das anders. Er ist noch besser geworden, noch torgefährlicher beim Schuss und den Pässen. Er entwickelt mittlerweile das Spiel, das ich vor vielen Wochen in den Einzelkritiken von ihm forderte: zentraler stehen, nicht an der Linie kleben. Seit er das beherzigt, ist er viel aktiver ins Spiel, ins Aufbauspiel der Eintracht eingebunden. Er ist nicht mehr Mr. Unsichtbar mit plötzlichem Torerfolg – nun nimmt er teil am Mittelfeldspiel, hängt Takashi Inui , den man (auch ich) voreilig als den neuen Wirbelwind bezeichnete, ab. Einfach, weil Aigner zielstrebiger, schnörkelloser agiert. Er sucht nicht die besondere Szene, er spielt so deutsch, so effizient, wie man das nur tun kann – ohne dabei jedoch ein geringes Laufpensum zu gehen. Im Gegenteil. In den vergangenen Spielen fiel dem aufmerksamen Betrachter auf, dass Aigner viel häufiger an Sebastian Jungs Seite rückt, als Inui das bei Bastian Oczipka tut. Letzterer, der defensiv ohnehin seine Schwächen hat, steht deshalb so manches Mal auf doppelt verlorenem Posten in der Abwehrkette.

Dass, wie etwa die Kollegen der Frankfurter Rundschau gerne schreiben, Aigner schon bei den Alten sei – mit 25 Jahren, wohlgemerkt – und daher die Entwicklung für bemerkenswert halten, teile ich gar nicht. Der Münchner ist einer dieser Spieler, die eben nicht mit 19,20,21 abgehen wie eine Rakete um später nicht mehr wirklich besser zu werden. Er steuert auf den klassischen Profifußballer-Zenit zwischen 27 und 31 zu. Das mag einigen nicht mehr bewusst sein, jedoch gab es auch Zeiten vor dem Jugendwahn, als die größten Sportler ihre Top-Leistungen mit 28 Jahren + brachten. Das ist eigentlich gar nicht der Rede wert – schon gar nicht in Frankfurt, wo etwa ein Alexander Meier die 30-er-Marke geknackt und seine Leistungskurve nochmals gesteigert hat. In diesem Sinne: Für Stefan Aigner gilt derzeit das Adjektiv „bärenstark“. Alernativ aignerstark.

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