26. Februar 2017 · 20:38
Das letzte Mal, dass die sportliche Lähmung sich an einer Zahl festmachen lies, ist ziemlich genau vier Jahre her. Damals, im Jahr 2013, schlurfte Eintracht Frankfurt über Wochen der selbst zum Meilenstein erklärten 40-Punkte-Marke hinterher.
Einer in vielerlei Hinsicht seltsamen Marke, denn 40 Bundesligapunkte sind in keinsterweise eine Schallmauer, in keine der beiden tabellarischen Richtungen. Seit Einführung der Dreitpunktregel heißt die sichere Nichtabstiegszahl 36. Wenn man hingegen berechtige Europa-League-Hoffnungen zum Ausdruck bringen will, sollte man von 50 sprechen. Aber 40, die Zahl im einträchtlichen Nirgendwo, sollte es also erstmal wieder sein. Ein Nichtziel als Ziel. Und da, mitten raus aus der Angst vor der eigenen Courage, grüßt es dann eben, das Minimalismus-Murmeltier.
Zwischen dem 9.Februar und 17. März 2013 holte die SGE drei von 18 möglichen Punkten (am 22. Spieltag damals stand die Eintracht übrigens bei 37 Punkten, jetzt bei 35). Erst am 27. Spieltag übersprang man seinerzeit die 40er-Marke mit einem 3:2 Sieg in Fürth, es waren dann deren 42 – von am Ende 51 Zählern samt Qualifikation für die Europa-League. Kurzum: Gerade noch die Kurve bekommen und vom auch damals tobenden Schneckenrennen um die EL-Plätze profitiert.
Im Hier und Jetzt sind die sportlichen Defizite vielfach beschrieben, die Mixtur aus der seit Herbst anhaltenden offensiven Harmlosigkeit, die zur Rückrunde aufgekommene defensive Instabilität und die spieltagswiederkehrende Treterei samt folgerichtiger Sperren, sind nicht zu kompensieren. Wie auch? Die zusammenfassende Darstellung der Schwächen lässt sich ja auf einen Punkt bringen: Es mangelt an allem, nichts geht mehr zusammen. Dazu kommen Verletzungen und die Schläfrigkeit auf dem Transfermarkt in der Winterpause (zu letzterem bleibt in Bezug auf den Rückrundenverlauf nur zu fragen: Henne oder Ei?) Und nun gesellt sich ganz offenkunding ein gewisser interner Unfrieden hinzu. Das, was Trainer Niko Kovac zum Kollektiv („Trettertruppe“ und „taube Ohren“) und was sowohl er als auch Lukas Hradecky und Timothy Chandler zu Haris Seferovic sagten („Idiotue“ „inakzeptabel“ „saftige Geldstrafe“), lässt dann doch tiefer blicken als man meint. Wobei Kovac ja die Ursünde begangen hat und quasi die Quittung dafür bekam: Er bringt nicht nur genau den Spieler, der seit zwei, zweieinhalb Jahren keine ausreichende Leistung mehr gebracht hat, er bringt ihn in genau dem Moment als der Vereinswechsel spruchreif ist. Zählt man eins und eins zusammen – mangelnde Qualität plus im Kopf anderswo – muss man sich über diese Personalie als Coach am wenigsten aufregen. Offenen Auges ins Verderben gerannt in diesem Punkt. Der lange glänzende Trainer beginnt leider gerade matter zu werden – weniger wegen der Ergebnisse sondern wegen persistentem Spielweisen-Defizit und manch seltsamen PersonalEntscheidungen. Bei den Statements zum Nicht-Tretertruppendasein der SGE hat er ja bereits (zurecht) Kreide gefressen.
Eintracht Frankfurt lässt jedenfalls allem Anschein nach aktuell genau jene riesige Chance auf nachhaltige Entwicklung und Erfolg liegen, die beispielsweise Borussia Mönchengladbach 2011/2012 so famos genutzt hat: vom Relegationsplatz und Fast-Abstieg auf Rang 4. Und wenn man dann so in sich reinhorcht ist da eben diese Stimme der Gewissheit: Wenn einer abreißen lässt, wenn eines der Überraachungsteams absackt, war es klar dass es die Eintracht ist; einfach weil das ins Naturell, in die Erfahrung passt.
Spinnen wir den aktuellen Trend, der sich in Ergebnissen ja tatsächlich erst jetzt niederschlägt, den man aber – ich wiederhole mich – bereits im November 2016 erkennen konnte, doch mal pessimistisch fort: Die Eintracht landet mit irgendetwas um die 45 Punkte auf Rang 9 oder 10, der Geschmack dieser Nach-Relegations-Saison ist „verpasste Chance“, nicht „starkes Comback“. Im Zuge dessen, also mangels europäischer Spiele verlassen neben Jesus Vallejo auch Lukas Hradecky und Alexander Meier den Klub. Ante Rebics Zukunft ist aufgrund der Vertragslage und der zugrunde liegenden Transfersumme offen, das sportliche wie finanzielle Gewicht von Mijat Gacinovic hat hingegen abgenommen. Die Korsettstangen 2017/2018 sind die allmählich alternden David Abraham und Makoto Hasebe, der dauer-schwerverletzte Marc Stendera sowie Aymane Barkok als das nächste Zukunfts-Versprechen. Marco Russ gibt den Folklore-Kapitän, Omar Mascarell den aggressiven Anführer und die Transferpolitik geht in dieselbe Richtung wie im Sommer 2016.
Eine lange super verlaufende Saison produziert mittlerweile tatsächlich einige Verlierer. Wo ist sie hin, die Frechheit mehr erreichen zu wollen (als 40 Punkte)? Wieso die Abkehr von der Traumverfolgung hin zum unnötigen Erden („keine Spitzenmannschaft“)? Wieso die kleinen Brötchen, wieso die Fortsetzung der Angst vor grossen Worten und grossen Zielen (die man mit Kleinmacherei nicht erreicht)?
Das Urteil, das man froh sein kann mit 35 Punkten den Klassenerhalt eigentlich schon geschafft zu haben, mag dem zerplatzten Traum geschuldet sein. Zur sicheren 36er-Marke fehlt aber selbst jetzt noch ein Zähler. Den wird die Mannschaft doch wohl noch …?!
Hier setzt nun die optimistische Prognose ein. Nach einem Gewürge gegen Bielefeld, dem man mit ach und krach ein Törchen reintut um ins Pokalhalbfinale einzuziehen (Gladbach als Gegner, auswärts), besiegt man zuhause den SC Freiburg, distanziert damit einen Konkurrenten um Rang 7 und profitiert mittelfristig von der Mischung aus angefressenem Punktepolster auf Leverkusen, Gladbach und Schalke sowie dem generellen Schneckenrennen um die EL-Plätze. Kurzum: Schlägt man Freiburg, kriegt man die Kuh vom Eis, verhindert den freien Fall, hat im Kader wieder mehr Optionen, bleibt im Geschäft, hat noch Chancen auf den grossen Wurf. Dann wird auch personell nach der Saison alles viel rosiger als im Pessimismus-Szenario.
An welchen Ausgang glaubt ihr? Und sagt nicht sowas Feiges wie „Mittelding“
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Noch etwas Grundsätzliches abschließend: Die Schiedsrichter in der Bundesliga haben in dieser Form echt ausgedient, da muss tatsächlich ein Video-Schiedsrichter herbei. Es ist einfach nur unsäglich, was da (nicht) gepfiffen und „ausgelegt“ wird. Der Kalou rennt erst beim.Abspiel im Abseits rum, liegt dann als Straßensperre vor dem Torwart – und das wird als regulärer Treffer gewertet. Der Gladbacher Stindl dribbelt keine 24 Stunden später den Ball mit der Hand ins Ingoldstädter Tor – zählt. Dazu zahllose Situationen in Stadien quer durch die Bundesliga, wo bei dem einen Referee etwas Foul, Hand, gelbe, rote oder keine Karten die Folge sind, beim anderen genau umgekehrt. Der eine lässt bei vergleichbarer Zahl der Unterbrechungen 7, der andere 2 Minuten nachspielen … Wieso losen wir nicht einfach vorher, wer gewinnt? Roulette ist letztlich ja auch fair.