Wettstreit der Irren

Eine Allgemeinverfügung als rechtliches Synonym für einen Grundrechtarschtritt. Nazis können mit Fackeln durch die Gassen ziehen, Autonome können Nachbarschaften verwüsten – aber wenn ein Fußballspiel von Eintracht Frankfurt gegen den SV Darmstadt ansteht, holt der Rechtsstaat die dicke Bertha raus. Und dem nicht genug: Die Sicherheitsbehörden geben vor, Fans der SGE „an Aussehen und Verhalten“ zu erkennen.

Diese Aussage folgt einer beinahe rassistischen Logik. Implizit wird der 47-jährige Familienvater, der mit seinem 16-jährigen Sohn zum Eintrachtschauen in die Kneipe geht gleichgesetzt mit der Gruppe von mehreren Hundert Extremisten und Gefährdern, die eben auch Eintracht-Klamotten tragen (und wer sich auch nur ein bisschen mit der Thematik beschäftigt oder sogar schonmal das Missvergnüngen hatte, eine Konftrontation dieses Radikalen-Blocks mit anderen Hirnamputierten zu erleben, weiß, dass die Schläger sich zumeist nicht via Klub-Uniform zu erkennen geben).

Keinerlei Sympathie hege ich für die paar Hundertschaften an Vereins-Vergewaltigern, die Eintracht Frankfurt seit zig Jahren imagemäßig wie finanziell schaden. Menschen, die vor lauter Wohlstandsgesellschaft und vollem Zeitkonto keinen Lebensinhalt haben. Aber wenn ich lese und höre, was die Behörden als Sicherheitskonzept verkaufen, was das auf einer Meta-Ebene, was das gesellschaftlich bedeutet, wird mit speiübel und ich spüre eine trotzige Zuneigung zu vielen, die wohl weitaus weniger reflektiert und distanziert an das Thema Fußball herangehen. Wenn ein Eintracht-Fan zwischen Freitagabend und Sonntagmorgen noch Bart trägt und dunklen Teint hat, wird er vermutlich schnurstracks nach Guantanamo gebracht. Und wer in Damrstadt lebt? Einkasernieren? Einsperren? Ausgehverbot? Eine Stadt als Sperrzone für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe – bei Leuten, die Geschichtsunterricht in der Schule hatten, müsste da was klingeln. Die Behörden haben das Derby bilderbuchmäßig aufgeheizt, den Worst-Case regelrecht provoziert.

Aber die Gewaltbereiten hätten ihren Namen nicht verdient, wenn sie nicht – verblendet und hohl wie sie sind – sofort reagiert und alle Ahnungen bestätigt und diese völlig überzogene Allgemeinverfügung nicht im Nu legitimiert hätten: Schon am Dienstagabend ging es in Darmstadt wohl rund, wurde eine Kneipe von Eintracht-Anhängern überfallen und mit „Lilienschweine“-Stickern beklebt. Es ist sogar die Rede von Verletzten, was aber noch unbestätigt ist.

Was willst du da noch sagen, was oder wen willst du dann noch verteidigen? Sie, die heuchlerisch „Fußballfans sind keine Verbrecher“ singen, sorgen für das, gegen das sie sich wehren. Provokation als Selbstzweck – worunter die Masse, die Mehrheit leidet. Und was im Geschäft dafür sorgt, dass der Stadionzuschauer noch schneller noch egaler, die Anstoßzeiten noch schneller noch verteilter, die Fernsehgelder noch schneller noch wichtiger werden.

Bravo, ihr Irren auf allen Seiten, saubere Arbeit, die Kollektivstrafe salonfähig zu machen. Dass der ganze Murks nur Fußball ist, geht das eigentlich noch in irgendeine Birne rein?!

7 Kommentare

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7 Antworten zu “Wettstreit der Irren

  1. Eintracht Fan_Hamburg

    Prima analysiert bzw starkes Statement im Namen der Normalos!

  2. Werner

    L a n g w e i l i g , würde Homer Simpson sagen. Diese Problematik stellt sich seit Ewigkeiten. Die Bundesliga-Clubs versäumen es einfach bei ihren Fans die Spreu vom Weizen zu trennen. Im Gegenteil, vor der Macht dieser speziellen Fangruppen knickt man seitens der Clubs regelrecht ein. Wenn es aber die Clubs nicht schaffen, warum sollte man einer Polizei mehr abverlangen, als man selbst in der Lage ist zu erbringen?

    Ja, ja, ich höre schon das Geschrei, was man alles unternimmt diesem Problem Herr zu werden. Ich kann da nur empfehlen die Ansprüche, die an die Ordnungsbehörden gestellt werden, bei demjenigen anzumelden, der ganz nahe dran ist und nicht ansatzweise seine Möglichkeiten ausschöpft, dem Club. Die Verantwortlichen wissen sehr wohl, wie man so etwas handle’n könnte, allein ihnen fehlt der Mut.

  3. Die Entscheidung, die Eintrachtfans vom Derby fernzuhalten, war grundsätzlich falsch! Wegen ein paar brennender Fahnen einen solchen Aufriss zu machen, ist vollkommen überzogen. Zumal die Randale, man möge sich erinnern, von den Lilienfans ausgegangen ist. Den schwarzen Peter hat nun die Stadt Darmstadt, die der Polizei weitreichende Rechte eingeräumt hat, die diese nun auch ausnutzen wird. Ich sehe schon die BFE-Einheiten in ihren Sixpacks, die nur freudig darauf warten, die Eintrachtfans einzukesseln und zusammen zu schlagen. Bestens bekannt von anderen Anlässen, wie z.B. Blockupy.

    Dass hierbei gegen die Grundrechte wie Reise- oder Versammlungsfreiheit verstoßen wird, sei nur am Rande erwähnt. Ich hoffe, die Verantwortlichen denken um und heben das Verbot schleunigst wieder auf. Noch ist Zeit genug!

  4. Lopa12

    Ich sage mal danke DFB und allen Medien die für diesen misst verantwortlich sind! Klar wurde beim Hinspiel im block was abgefackelt aber wenn man ehrlich ist, wurde es von den Medien ganz schön hoch gepuscht. Dann die unkluge Urteil vom DFB, dann kann doch nur sowas passieren. Die dort randlieren sind keine SGE-ler sondern eine Truppe die den Verein in den Dreck ziehen und sie werden auch über Leichen gehen. Egal ob es gegen die SGE, Bayern , Dortmund, Köln uvm. geht, die Truppe die Randalieren sind keine Anhänger irgendwelcher Fussball Mannschaften.

    • „Die Medien“ haben nichts hochgepusht. Zum wiederholtesten Male gab es ja solche Szenen ausgehend von Leuten, die Frankfurter Farben trugen. Und die Szenen im Hinspiel waren alles andere als erbaulich, da hat nicht viel zur totalen Eskalation gefehlt, ich für meinen Teil habe auch die Beine in die Hand genommen und zugesehen, in den Zug zu kommen.

  5. Matt

    Die Grundlage ist es. Die Begründung dessen, was man sich da in Darmstadt ausgedacht hat. Das ist juristisch sicherlich höchst fragwürdig. Ich möchte hier mal sinngemäß den Polizeichef von Darmstadt zitieren, wie er vom HR (gestern gehört bei HR info) interviewt wurde: „Die Polizei kontrolliert anhand von Kleidung und Verhalten. Die Beamten werden bei Verdächtigen auch Befragungen durchführen, um heraus zu finden, ob es sich um SGE-Fans handeln könnte (!). Zu Guter letzt entscheided aber jeder Beamte selbst, ob er einen Fan vor sich hat.“

    Da wir alle unsere Staatsmacht kennen und wissen, dass auch unter diesen Helmträgern einige Hundert dabei sind, bei denen im Kopf lediglich ein Faden aufgespannt ist, der die Ohren oben hält, kann man sich ausmalen, was im Einzelfall nicht vermeidbar sein wird.

    Ich bin sehr gespannt, was wir alle am Sonntag in der FAZ darüber lesen.

  6. Die SGE Fans sollten eine Demo in Darmstadt anmelden. Dann gibt es bestimmt ein Oberverwaltungsgericht, dass es am Ende erlaubt, wie bei den anderen Irren.
    Wir sind durch Zufall am Wochenende im Rhein-Main Gebiet. Habe gestern schon mit Frau und Kindern darüber gescherzt, dass wir als SGE Fans nicht nach Darmstadt dürfen.
    Ich kann die Polizei allerdings verstehen. Mit der Verordnung haben sie die Möglichkeit von Anfang an robust vorzugehen. Das wird nichts verhindern aber wahrscheinlich einschränken.

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